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Laelius de Amicitia (31-32) [Deutsch]

Marcus Tullius Cicero

[31] Wie wir nämlich wohltätig und freigebig sind, nicht um Dank zu fordern (denn wir treiben ja mit unseren Wohltaten keinen Wucher, sondern sind von unserem Wesen her zur Freigebigkeit geneigt), ebenso halten wir die Freundschaft nicht wegen der Aussicht auf eine Belohnung für erstrebenswert, sondern weil ihr ganzer Gewinn in der Liebe selbst liegt.

[32] Diejenigen, die nach Art der Tiere alles auf den sinnlichen Genuß ausrichten, sind ganz anderer Ansicht, und das ist nicht verwunderlich. Nichts Hohes, Erhabenes oder Göttliches nämlich vermögen diejenigen zu ahnen, die alle ihre Gedanken auf einen so unbedeutenden und so verächtlichen Gegenstand richten. Deshalb wollen wir solche Leute von diesem Gespräch fernhalten, wir selbst uns aber darüber im klaren sein, daß die menschliche Natur selbst das Gefühl der Liebe und des Wohlwollens hervorbringt, wenn sich ein Anzeichen von Rechtsschaffenheit kundtut. Denn Menschen, die nach der letzteren trachten, schließen sich einander an und rücken näher zusammen, um sich am Umgang dessen, den sie liebgewonnen haben, und an seinem Charakter zu erfreuen. Und beide Seiten sollten dieselbe Liebe zueinander empfinden, sich im Charakter gleichen und geneigter sein, Wohltaten zu erweisen, als sie wieder abzufordern, und hierin sollte ein ehrenvoller Wettstreit zwischen ihnen bestehen. Auf diese Weise wird man einerseits die größten Vorteile aus der Freundschaft gewinnen, andererseits wird ihre Herkunft aus der menschlichen Natur gegenüber der aus dem Gefühl der Schwäche als gewichtiger und begründeter erwiesen. Denn wenn der bloße Vorteil Freundschaften knüpfte, so würde eine Veränderung darin sie auch wieder lösen. Weil aber die menschliche Natur unwandelbar ist, darum sind wahre Freundschaften von ewigem Bestand. Den Ursprung der Freundschaft begreift Ihr nun, es sei denn, Ihr wollt dazu vielleicht etwas sagen.

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