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Der vierzigste Geburtstag

Farid Hajji

Die Feierlichkeiten zum dreißigsten Geburtstag von Kaiserin Cixi waren noch nicht beendet, da herrschte in der Verbotenen Stadt schon hellste Aufregung. Denn es standen bereits die Vorbereitungen zum Großen Vierzigsten Jahrestag an. Sogar die Kaiserin höchstpersönlich, im vollen Bewußtsein der außerordentlichen öffentlichen Bedeutung dieses noch volle 10 Jahre in der Zukunft liegende nationale Ereignis, schaltete sich ein und zitierte den gesamten Hof zu sich in den Großen Thronsaal.

Die Stimmung bei den anwesenden hohen Beamten war, wie immer, ängstlich. Und das aus gutem Grund. Kaiserin Cixi war nicht nur für ihre äußerst unerbittliche Strenge, die -- natürlich nur hinter vorgehaltener Hand -- manchmal als Grausamkeit bezeichnet wurde, sondern vor allem auch für ihre überragende Intelligenz und ihrem untrüglichen Machtinstinkt weit über die Grenzen des Reichs der Mitte bekannt. Jeder der Minister und Höflinge wußte, daß er keine Geheimnisse vor seiner Kaiserin haben konnte: sogar ohne den für seine Effizienz berühmte kaiserliche Nachrichtendienst, konnte sie jeden der im Saal Anwesenden mit sicherem Instinkt durchschauen... und das wußten sie alle.

Im vollen Großen Thronsaal hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Alle hielten den Atem an, als die 30-jährige Cixi eintrat und auf dem Thron Platz nahm. Die Kaiserin war eine der schönsten Frauen der Welt, und ihre unerbittliche Kälte ließ sie noch schöner und unerreichbarer erscheinen. Sie blickte auf die völlig verschüchterten Anwesenden herab und nach zwei Minuten quälender Stille, sprach sie:

"Ich bin sehr zufrieden mit Eurer Arbeit. Die Feierlichkeiten sind sehr würdig verlaufen und sie haben auch das Wohlwollen des Volkes gefunden."

Die Erleichterung im Saal war spürbar; doch niemand wagte es, sie auch nur durch einen hörbaren Seufzer der Erleichterung kundzutun. Es wäre höchst respektlos gewesen und hätte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen äußerst qualvollen Tod zur Folge gehabt: Kaiserin Cixi hielt die strenge Einhaltung des Protokolls für eine der Säulen ihrer Macht. Äußerlichkeiten waren für sie mindestens so wichtig wie innere Tugenden, denn sie glaubte fest daran, daß nur der dem das Protokoll in Fleisch und Blut übergegangen war, konnte auch ein guter Untertan sein. Wer auch nur den kleinsten Fehler in der strengen Etikette beging, hätte für immer Cixi's Achtung verspielt - und welch verhängnisvollen Konsequenzen dies für den Unglücksraben unweigerlich haben mußte, das war jedem im Reich der Mitte klipp und klar bewußt. So verharrten alle Minister in prosternierter Haltung, die Stirn auf dem Boden gepreßt, vor ihrer allmächtigen Herrscherin.

"Ihr dürft Euch setzen." sagte die Kaiserin großmütig. Die Minister, denn nur sie waren gemeint, knieten sich nun nieder, während das niedere Personal weiterhin in prosternierter Haltung verblieb -- denn kein Niedriggeborener durfte die Kaiserin während einer offiziellen Ansprache sehen, nicht einmal indirekt; und schon gar nicht direkt ins Gesicht.

"Wie Ihr alle wißt," fuhr Kaiserin Cixi fort, "sind es nur noch zehn Jahre bis zum Großen Vierzigsten Geburtstag. Unsere tausendjährige Tradition verlangt, daß ich nun den Höhepunkt dafür bestimme."

Jeder Untertan in großen China wußte, was dies bedeutete. Was auch immer der 30-jährige Kaiser oder die 30-jährige Kaiserin zum 40-sten Geburtstag in dieser formellen Form verlangte, mußte mit allen dem Volk zur Verfügung stehenden Ressourcen in einer gemeinsamen Kraftanstrengung erfüllt werden. Es ist nur einmal in der ganzen Geschichte des Reiches vorgekommen, daß ein solcher Wunsch nicht zur vollsten Zufriedenheit des Kaisers umgesetzt werden konnte; und dies hat nicht nur grausamte Bestrafungen für alle Betroffenen nach sich gezogen, sondern zu allem Überfluß, als Strafe der Götter, eine Jahrzehnte lange Dürre und riesige Überschwemmungen, die Hunger und Tod über unzählige Regionen brachten, gegeben.

Darum ist es nicht verwunderlich, daß die verantwortlichen Minister und Höflinge diesem Tag, der jetzt gekommen war, voller Furcht entgegenblickten. Was mag wohl die für ihre Grausamkeit, höchste Erwartungshaltung und wechselvoller Launenhaftigkeit bekannte Kaiserin Cixi wohl von ihrem Volk verlangen? Würde es eine erfüllbare Aufgabe werden; und wenn ja, wieviele Menschen müßten dafür ihr Leben oder zumindest ihre ganze Lebenskraft hergeben? Oder würde sie ihrem Ruf alle Ehre machen und den schlimmsten aller Albträume entsprechen indem sie einen unrealisierbaren Wunsch aussprach? Oder, was China's größte Pessimisten (sie haben zu oft Recht behalten um jetzt noch nicht ernst genommen zu werden) unkten: würde Cixi aus reinem Sadismus einen nur scheinbar leicht erfüllbaren Wunsch äußern, der sich jedoch in der Praxis erst nach einigen Jahren oder kurz vor seiner Fälligkeit, dann doch noch als unerfüllbar erweisen sollte? Schließlich war "Folter durch Hoffnung" ein beliebter Zeitvertreib der schönen jungen Kaiserin bisher gewesen.

Um Cixi's Lippen zeichnete sich das wohlbekannte und -gefürchtete kleine spöttische Lächeln, das die Intensität der schlimmsten Befürchtungen ihrer Minister noch um ein paar Größenordnungen erhöhte. Nach Minuten quälender Stille fuhr Cixi fort:

"Mein Wunsch zum Vierzigsten soll lediglich ein Dorf und einen einzigen Künstler in Anspruch nehmen!"

Von der unerwarteten Milde Kaiserin Cixi's völlig überrascht, hielten drei rangniedere Minister hörbar die Luft an. Die Miene der ranghöheren Minister blieb dagegen, außer natürlich für Cixi, deren Augen tief in die Seelen ihrer Untergebenen blickte, völlig unbeweglich. Denn Cixi merkte sehr wohl, daß die weiseren unter ihnen keinerlei Erleichterung verspürten. Ganz im Gegenteil: sie sind öfters schon durch Cixi's scheinbare Milde getäuscht worden, nur um später schmerzhaft zu lernen, daß es nichts dergleichen gab, wie ein leicht zu erfüllender kaiserlicher Wunsch -- und erst recht nicht, wenn dieser ausgerechnet von Kaiserin Cixi stammte. Dennoch genoß die junge mächtige Kaiserin das Katz-und-Maus Spiel mit ihren sich-für-ach-so-klug-haltenden Höflingen. Wie eingebildet und aufgeblasen sie doch in ihrem Benehmen waren, dachte sie immer voller Verachtung! Sie genoß es jedesmal aufs Neue, solche niedere Kreaturen an ihre wahre Stellung im Leben zu erinnern. Cixi sprach dann, nach einer endlosen Pause, ihren formellen Wunsch aus:

"Ich möchte zu meinem Vierzigsten Geburtstag das Bild eines blauen Fenghuangs und eines gelben Drachens auf feinster schwarzer Seide."

Dem erstaunten Blick ihrer Minister erwiderte sie:

"Sucht mir den besten Seidenraupen-Züchter und den begabtesten Maler im ganzen Reich, und bringt sie mir her. Ich möchte sie persönlich instruieren, bevor sie mit ihrer Arbeit beginnen. Ihr dürft jetzt gehen."

Daraufhin stand sie auf, ihr grausam-spöttisches Lächeln jetzt einen winzigen Hauch breiter, blickte noch einmal auf ihrem sich wieder prosternierenden Hof nieder, und verließ majestätisch und kühl den Großen Saal. Die offizielle Zeremonie war nun beendet.

* * * * *

Eine Woche später, diesmal im kleinen Audienz-Saal, versammelten sich die ranghöchsten Minister, ein völlig ängstlicher alter Mann und ein junger schüchterner Mann. Alle warteten in der obligatorischen prosternierten Haltung auf Kaiserin Cixi. Diese betrat gut gelaunt den Saal und wandte sich zuerst an den alten Mann:

"Du darfst Dich hinsetzen, alter Mann. Wie ist Dein Name?"

Der Mann antwortete, völlig verschüchtert:

"Mein Name ist Hung Dong, große Kaiserin."

"Warum bist Du hier?" fragte Cixi, geduldig.

"Ich bin Seidenspinnerraupen-Züchter aus der Provinz Huang. Minister Pong hat mich hierher bringen lassen."

"Ich gehe davon aus, daß er der beste aller Seidenraupen-Züchter ist, Pong." sagte Cixi. "Woher weißt Du das?"

Minister Pong erhob die Stirn vom Boden nur solange um zu antworten:

"Eure Majestät: nur in der Provinz Huang werden Seidenraupen gezüchtet, die schwarze Seide spinnen. Im Dorf von Hung Dong befindet sich die einzige Schwarzseiden-Manufaktur der Welt; und Meister Dong ist ihr Gründer und Leiter seit über 50 Jahren."

"Ah, ich sehe." erwiderte Cixi. Sie blieb stumm ein paar Minuten und wandte sich dann wieder dem alten Mann zu mit der Frage:

"Hung Dong, kannst Du ein 1m x 1m großes Quadrat aus schwarzer Seide herstellen?"

"Meine Kaiserin, Ihre Frage kann ich erst beantworten, wenn ich weiß wofür diese Seide verwendet werden soll." erwiderte Meister Dong.

Cixi's in die Höhe schnellende linke Augenbraue und ihr anschließendes Stirnrunzeln verhießen nichts Gutes für den Seidenraupen-Züchter. Minister Pong blieb der Atem stocken ob der frechen Antwort eines solchen niederen Untertans. Die restlichen Anwesenden waren schon sicher, daß der törichte alte Mann sein Leben verwirkt hatte und waren schon auf die sichere Strafe gespannt, die ihm blühte. Die Kaiserin antwortete jedoch geduldig:

"Du bist aber mutig, alter Mann! Nun gut. Auf der Seide soll der talentierteste Maler Chinas ein Bild für meinen Vierzigsten Geburtstag zeichnen." Cixi fuhrt dann mit deutlich schärferem Ton fort: "Meister Dong, kannst Du es nun weben, oder verschwendest Du hier unsere Zeit?"

"Bildseide gehört zu unseren Spezialitäten, meine Kaiserin. Selbstverständlich kann ich es herstellen."

Die Beinahepanik des alten Mannes war für Cixi wie immer höchst unterhaltsam. Mit beruhigender milder Stimme sagte sie dann:

"Gut, so sei es. Du sollst sofort damit anfangen und so schnell wie möglich damit fertig werden. Der Maler braucht ja sicher mehr Zeit als Du um das schwierige Bild zu zeichnen. Nun? Wie lange wirst Du dafür brauchen?"

Meister Dong wurde sofort unruhig und Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Er antwortete kleinlaut:

"Meine Kaiserin, Seidenraupen brauchen Zeit; und Schwarzseidenraupen benötigen dreimal so lange wie normale Raupen. Eine so große Fläche benötigt eine Menge ganz besonderer Seide, die von unseren Raupen in nicht weniger als 9 Jahren und 11 Monaten hergestellt werden kann. Das Weben selbst dauert nicht einmal 4 Wochen."

Die schöne Kaiserin war völlig verblüfft und konnte ihre Überraschung diesmal nicht verbergen. Sie nickte zustimmend dem Seidenraupen-Züchter zu und sagte:

"Du darfst in Dein Dorf zurück. Fang sofort an und bringe mir das Tuch, sobald Du damit fertig bist. Schaffst Du es nicht rechtzeitig, werden Dein ganzes Dorf und Deine ganze Familie streng bestraft. Geh jetzt, Du hast keine Zeit zu verlieren."

Meister Dong erhob sich mühsam, verbeugte sich tief, und verließ rückwärts den Audienzsaal.

* * * * *

Nun wandte sich Kaiserin Cixi dem jungen Mann zu:

"Wie ist Dein Name, und warum bist Du hier?"

Der Mann antwortete:

"Meine Kaiserin, ich heiße Li Pang und bin künstlerischer Maler. Minister Pong hat mich hierher bringen lassen."

"Du hast gehört, was ich Meister Dong befohlen habe - und wie wenig Zeit Dir dann noch bleibt, ja?"

"Ja, meine Gebieterin."

"Bist Du bereit Deine Aufgabe entgegenzunehmen?"

"Das bin ich, meine Kaiserin."

"Also gut. Du sollst auf der schwarzen Seide einen blauben Fenghuang und einen gelben Drachen malen. Dies soll das Symbol meiner Regentschaft werden und wird uns vor der ganzen Welt repräsentieren. Bist Du in der Lage, in den verbleibenden zwei oder drei Tagen dieses Wunderwerk zu vollbringen?"

"Ja, das werde ich sein, meine Kaiserin."

"Beeindruckend! Sind Dir die Bedeutung und die Verantwortung, die ich hiermit auf Dich lade, auch wirklich völlig bewußt?"

"Ja, das sind sie. Eure Majestät erweisen mir eine Ehre, der ich nicht würdig bin."

"Hast Du ein Anliegen, einen Wunsch, damit wir Dir die Aufgabe soweit es in unserer Macht liegt, zu erleichtern?"

"Meine Kaiserin, ich bitte nur um das Recht, mich auf diese große Aufgabe gut vorbereiten können zu dürfen."

"Dieses Recht sei Dir gewährt. Wie soll sich das konkret äußern?"

"Ich ersuche um eine Höhle, die niemand außer mir die nächsten 10 Jahre betreten darf, und um Erlaubnis, von allen anderen Pflichten entbunden zu werden, damit ich mich voll und ganz auf die Vorbereitungen konzentrieren kann." Als Cixi verständnislos-fragend ihn schweigend anstarrte, fuhr er hastig fort: "Schließlich stehen mir nur 2 oder 3 Tage zur Verfügung, um auf der wertvollsten Seide der Welt..."

"Ah, ich verstehe. Beides sei Dir gewährt. Aber hiermit sag' ich Dir auch klipp und klar, daß ich keine Fehler und keine Verzögerung dulden werde. Solltest Du versagen, werde ich für Dich die schlimmste Strafe in Erwägung ziehen, die mir dann einfällt."

Li Pang brauchte keine weiteren Ausführung um die Reichweite der kaiserichen Drohung zu begreifen. Ganz im Gegenteil: die unverblühmte direkte Art Cixi's traf ihn mit voller Wucht. Die nächsten 10 Jahren versprachen "interessant" zu werden; wie das Sprichwort hieß.

"Nun darfst Du gehen. Komm wieder, wenn's soweit ist. Du wirst dann entweder ein Held, oder der jämmerlichste Mensch sein, der jemals auf dieser Erde weilte."

* * * * *

Schwer wie Blei zogen sich die Jahre dahin.

Die Schwarzseidenraupen arbeiteten ganz fleißig, während das ganze Seidenspinner-Dorf neue Seidenwebtechniken entwickelte oder perfektionierte.

Vom jungen Künslter hörte und sah man seit der Audienz bei der Kaiserin nichts mehr.

Cixi selbst wurde reifer und... ja, irgendwie menschlicher, sofern es ihr überhaupt möglich war. Ihre jugendliche bedingungslose Härte wich langsam einer zunehmenden Empathie und Verständnis für ihre Untertanen. Nur ihren Feinden gegenüber blieb sie unbarmherzig und unnachgiebig. Die Umsturzversuche einiger mächtiger Häuser in den letzten turbulenten Jahren haben ihr Mißtrauen und ihren Machterhaltungsinstinkt stets wachgehalten; und zum Machterhalt gehört nicht nur das Beherrschen der menschlichen Psychologie und pädagogischem Geschick (Cixi's großes Talent als Pädagogin wurde ihr schon in die Wiege gelegt), sondern auch eine gehörige Portion unnachgiebiger Härte und sturer Beharrlichkeit. Einfache Untertanen brauchen wie eh und je Zuckerbrot und Peitsche; und sie wären unglücklich würde ihnen das Eine oder die Andere vorenthalten. Cixi war weise und erfahren, und wußte um diese Eigenart der menschlichen Natur. Und da es ihre heilige Aufgabe war, sorgte sie stets dafür, daß dem Glück ihrer Untertanen an nichts mangelte.

Als Cixi's Vierzigster Geburtstag nahte, wuchs wieder die Aufregung in der Verbotenen Stadt. Alle Höflinge und das gesamte Personal waren mit den Vorbereitungen der größten Feierlichkeiten, die China jemals zu Gesicht bekommen würde, beschäftigt. Der große Palast war mit den schönsten Dekorationen verziert und die wenigen Auserwählten, die Zugang zur Verbotenen Stadt hatten, erzählten dem einfachen Volk draußen wie großartig denn alles sein würde. Ganz China fieberte dem Großen Tag entgegen.

* * * * *

Schließlich war es soweit! Kaiserin Cixi war mit Vierzig jetzt auch symbolisch zur "Großen Kaiserin von China und dem Rest der Welt" geworden (so der jahrtausend alte Titel). Der Große Thronsaal war überfüllt mit Würdenträgern und Repräsentanten der größten Familien und Regionen Chinas. Alle Minister waren ebenfall anwesend, und sogar Botschafter entfernter Länder wurde die außerordentlich große Ehre zuteil, an diesem einmaligen besonderen Tag anwesend zu sein. Bis auf die Botschafter, die auf dem Boden sitzen durften, warteten alle Anwesenden in der traditionellen respektvollen Haltung, Stirn auf dem Boden gepreßt, auf die Große Kaiserin.

China's Herrscherin betrat nach wenigen Minuten den Großen Saal und nahm majestätisch auf den traditionellen Thron platz. Trotz ihrer gewachsenen Toleranz und Menschlichkeit, bestand sie trotzdem immer noch auf das strikteste Einhalten der Etikette. Dies war und blieb eine der Kernpflichten der Kaiserin. Aus diesem Grunde lief alles nach strengstem formalen Protokoll ab.

Als Cixi den Anwesenden erlaubte, sich zu setzen, sprach sie:

"Die Vorbereitungen zum Vierzigsten Jahrestag könnten nicht perfekter sein. Eure Kaiserin ist sehr zufrieden mit Eurer Arbeit."

Wieder traute sich niemand der Anwensenden, seine Erleichterung kund zu tun. Das Protokoll hat in den letzten 10 Jahren nichts von seiner Strenge eingebüßt! Schweigend harrte der versammelte Hof und die handverlesenen Gäste dem, was noch kommen möge. Cixi setzte das formale Ritual fort:

"Doch die besten Vorbereitungen sind wertlos, wenn sie nicht vollständig sind. Meister Dong, tretet vor!"

Ein Greis erhob sich mühsam und näherte sich der leicht erhobenen Plattform, auf die der große Thron stand, und blieb anschließend in knieender Haltung und mit gesenktem Kopf vor der mächtigen Kaiserin stehen. Diese sprach:

"Alter Mann, ich habe Dir und Dein Dorf vor 10 Jahren eine kleine Aufgabe aufgetragen. Seid Ihr erfolgreich gewesen?"

Der alte Meister verbeugte sich tief und sprach, während eine junge Helferin mit einem 1m x 1m großem Päckchen sich ihm diskret näherte:

"Große Kaiserin, wir sind mit der Aufgabe die Ihr die Güte hattet uns aufzutragen, rechtzeitig fertig geworden. Hier ist das von Ihrer Majestät gewünschte Tuch aus wertvollster schwarzer Seide."

Er nahm seiner Helferin das Paket ab, entfernte schnell die feine Verpackung und stellte das wertvolle, in feinstem Ebenholz eingerahmte Seidentuch auf eine bereits auf der Plattform aufgestellten Staffelei. Anschließend verbeugte er sich wieder, und trat (rückwärts, wie es sich gehörte) von der Plattform zurück und prosternierte sich wieder zu Boden, voller Erwartungsangst.

Kaiserin Cixi war beeindruckt. Die Seide schimmerte nur ganz dezent; und die Arbeit der Seidenspinnerraupen und des gesamten Seidenwebdorfes war in der Tat perfekt. Das leere Rezeptakel wartete nun auf seine inhaltliche Bestimmung.

Die Kaiserin dankte dem alten Mann und seinem Dorf für die hervorragende Arbeit, und wandte sich dann dem nicht-mehr-ganz-so-jungen Künstler zu:

"Li Pang, vor 10 Jahren habe ich Dir eine Aufgabe aufgetragen. Bist Du nun bereit, sie zu erfüllen?"

Der Maler hob den Kopf nur kurz um zu antworten:

"Jawohl, große Kaiserin. Ich bin dazu bereit."

"Nun beginne."

Der Maler stand auf, verbeugte sich formell, und trat an die Staffelei.

"Da dies ein besonderer Augenblick ist, dürfen alle Anwesenden dem Entstehen unseres neuen Wappens zuschauen" sprach eine großmütige Cixi. Wer genau hinsah, konnte jedoch nicht umhin, ein kleines spöttisches kaltes Lächeln in den Augen der mächtigsten Frau des Reiches, zu übersehen. Aus irgend einem obskuren Grund, weckte der Künstler Cixi's lange unterdrückte jugendliche Grausamkeit wieder zum Leben. Doch äußerlich schaute Cixi dem Maler nur interessiert zu.

Li Pang betrachtete die schwarze Seide und wußte, daß nun der entscheidende Moment gekommen war. Er würde entweder auf den Olymp gehoben werden als der genialste und mutigste Künstler aller Zeiten, oder er würde die schlimmsten Qualen erleiden, bevor ihm erlaubt sein würde zu sterben und als Wurm wiedergeboren zu werden. Das schwärzeste Schwarz der schwarzen Seite übte eine magische Anziehung auf ihn aus und schien ihn förmlich in die Tiefe zu saugen.

Doch die kostbaren Minuten flossen dahin, und Kaiserin Cixi und ihr gesamter Hof schauten zu. Li Pang griff nun nach einem noch unbenutzten Pinsel; tauchte ihn in ein Töpfchen gelber Farbe, wisch ihn an dessen Rand ab, und setzte an. Er blieb kurz stehen und zog dann eine geschwungene gelbe Linie über die wertvolle schwarze Seide. Der ganze Hof hielt den Atem an.

Anschließend legte der Künstler den gelben Pinsel nieder, und wiederholte die Prozedur mit einer hellblauen Farbe. Auch hier hielt er kurz inne, und zog dann entschieden eine blaube geschwungene Kurvenlinie auf die schwarze Seide. Den blauen Pinsel legte er ebenfalls nieder und verbeugte sich nach diesen zwei Pinselstrichen tief. Sein Kunstwerk war in nicht mal einer Minute vollendet!

Die Stimmung im Großen Thronsaal konnte nicht gespannter sein. Alle warteten darauf, wie Kaiserin Cixi wohl reagieren würde. Niemand wagte es eine Meinung zu diesem außergewöhnlichen Kunstwerk zu haben, die von derjenigen der mächtigen Herrscherin hätte abweichen können. Doch alle hielten den Atem an und die Sekunden fielen, wie die feinen weißen Körnchen einer Sanduhr.

Cixi war sprachlos. Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie abwechselnd die zwei Pinselstriche auf dem Seidentuch und Li Pang an. Zum ersten mal in ihrem Leben war die mächtige Cixi unfähig, auch nur ein Wort zu sagen...

Denn in Cixi wuchs eine mörderische Wut - Wut ob der Frechheit dieses "Künstlers", der in kürzester Zeit das seidene Kunstwerk eines Jahrzehntes mit zwei groben Pinselstrichen zerstörte! Ja, Cixi erkannte in dem Bild des Künstlers nur blinde Zerstörungswut und Wandalismus. Was sollte das? Wie unverschämt kann dieser Maler bloß sein? Was erlaubt er sich bloß?

Schließlich fand sie wieder ihre Stimme. Kalt, aber innerlich vor Wut zitternd, sprach Cixi:

"Li Pang, das war die unverschämteste Handlung, die ich jemals gesehen habe. Sogar der Verrat der Wang Familie hat mich nicht so schokiert wie das, was Du gerade hier getan hast! Du wirst für Deine Unverschämtheit und Frechheit mit dem Leben büßen; und damit Du auch lernst, was es heißt, der Kaiserin dermaßen respektlos zu begegnen, wirst Du einen langsamen schmerzhaften Tod erleiden. Die Kosten für Deine Bestrafung und spätere Hinrichtung werden von Deiner Familie getragen - welche ebenfalls für alle Zeiten entehrt sein wird. Dein Name wird von nun an in ganz China Synonym sein für die niedrigste Kreatur, die je auf dieser Erde gelebt hat. Fort mit ihm!"

Li Pang wurde aus dem Großen Thronsaal eskortiert und ward seitdem nie wieder gesehen.

* * * * *

Die Jahre flossen wieder dahin; doch Kaiserin Cixi konnte keine Ruhe mehr finden. Zunächst hat das Debakel der Vierzigsten Jahresfeier ihre ganze Grausamkeit wieder aufs Neue entfacht. Von der geliebten gütigen Kaiserin wurde sie in kürzester Zeit wieder zur gefürchteten grausamen Herrscherin, vor dessen Wut niemand sicher war; und sei er noch so fleißig und ergeben gewesen. Schreckensjahre kamen und gingen und das Volk mußte schrecklich leiden und große Entbehrungen ertragen.

Im Laufe der Zeit, ließ jedoch der Zorn der Kaiserin nach. Einige Jahre nachdem Li Pang aufs grausamste gefoltert und hingerichtet wurde, beschloß Cixi das fragwürdige Bild wieder zu sehen. Es hatte ihr nämlich keine Ruhe in all den Jahren gelassen. Irgendwas mußte sich der Künstler doch gedacht haben, als er die schwarze Seide mit zwei einfachen Pinselstrichen, einem gelbem und einem blauen, entweiht hatte! So dumm kann doch kein Mensch sein, den Zorn von Cixi leichtfertig auf sich zu laden. Nur was war es denn, was Li Pang gemeint haben konnte?

"Hätte ich ihn nur nicht so schnell hinrichten lassen, damals..." sann Cixi vor sich hin. Nein, sie empfand keine Reue - Leid tat ihr der arme Teufel keineswegs. Aber sie konnte nicht ruhig schlafen, denn in ihren Albträumen tanzten die zwei Pinselstriche, der gelbe und der blaue, vor ihren Augen und nahmen mannigfaltige Formen an - beinahe hätte sie einmal eine Bedeutung erkannt, doch da ist sie schweißgebadet und völlig außer Atem aufgewacht.

Mit zunehmender Reife, beruhigte sich die Kaiserin und konnte sich wieder gelassen den nunmehr repräsentativen Pflichten widmen. Die Tagesgeschäfte überließ Sie Minister Pong; der Einzige unter den Höflingen, der ausreichend Talent dazu aufbringen konnte.

Immer häufiger besuchte Cixi das Bild. Sie setzte sich davor, und starrte es tagein, tagaus an. Immer wieder war sie nahe dran, eine Bedeutung den beiden farbigen Kurven auf schwarzem Hintergrund zu geben, doch die Lösung entfloh ihr im letzten Augenblick, wie ein Vogel, den man ohne Netz versuchen würde einzufangen. Es war sinnlos.

* * * * *

Eines Morgens, nach einem besonders aufwühlenden Albtraum, wachte Cixi mit einer glänzenden Idee auf. Sie zitierte Minister Pong herbei, und sagte ihm dann:

"Pong, ich habe lange über das Bild des Verbrechers Li Pang nachgedacht, und mir ist heute etwas eingefallen."

"Was ist Euch denn eingefallen, Kaiserin?"

"Li Pang hat doch 10 Jahre lang in einer Höhle gelebt, die wir ihm überlassen haben. Was hat er dort die ganze Zeit getan?"

"Das weiß ich nicht, Eure Majestät. Niemand durfte dort hinein, wie es Ihr Wunsch war."

"Bereitet eine Reise vor, Pong. Ich will mir persönlich ein Bild von Li Pang's Höhle machen. Es soll nur eine diskrete Reise sein, bei der Du, die Garde und meine Mädchen mich begleiten werden."

"Wann gedenkt Ihr zu reisen, Kaiserin Cixi?"

"Sobald wie möglich."

"Ich werde die nötigen Vorbereitungen sofort einleiten, meine Kaiserin." sagte Minister Pong und machte sie auf dem Weg.

* * * * *

Zwei Wochen später, an einem nebeligen Morgen, setzten 6 kräftige Träger die Sänfte der mächtigsten Frau der Welt, der gefürchteten Kaiserin Cixi vor dem unspektakulären Eingang einer Höhle nieder. Eine kleine Eskorte von Leibgardisten, die vor und hinter der Sänfte unermüdlich marschiert sind, formierte sich neu um Sänfte und Höhleneingang herum. Zwei Gardisten betraten die Höhle... und kamen wenige Minuten später wieder heraus. Auf ihrem zustimmenden Nicken hin ging der Kapitän der kaiserlichen Leibgarde zur Sänfte, kniete nieder, und öffnete die Tür.

Aus der Sänfte stieg Kaiserin Cixi höchstpersönlich herab. Minister Pong schritt neben ihr zum Höhleneingang und beide blieben dort ein Weilchen wie angewurzelt stehen. Schließlich sagte die mächtige Kaiserin:

"Wartet hier draußen. Ich will alleine da rein."

Mit Stolz erhobenen Kopf, aber tiefer Unsicherheit im Innern, betrat Cixi die Höhle des Künstlers.

Kaum eingetreten, fiel der Kaiserin auf der rechten Wand ein großes Gemälde auf. Ein äußerst beeindruckendes Gemälde. Ein großer gelber Drache, in größter Detailtreue war dort abgebildet. Jedes Detail war genau zu erkennen: die Schuppen, die Flammen aus jedem einzelnen Nasenloch, die Krallen... eine Abbildung, wie sie nicht perfekter hätte sein können!

Neben diesem perfekten gelben Drachen befand sich ein nicht minder pefekter hellblauer Fenghuang; auch wieder in größter Detailtreue abgebildet. Unten rechts befand sich ganz klein Li Pang's Signatur.

Cixi konnte nicht umhin, beeindruckt zu sein! Es war das schönste Kunstwerk, daß sie, als äußerst anspruchsvolle Kunstliebhaberin, jemals gesehen hatte! Warum in aller Welt hatte Li Pang nicht *dieses* Bild auf der schönen wertvollen schwarzen Seite gemalt?! Dafür ist sie doch gewebt worden! Cixi hätte ihn dafür umgehend zum glücklichsten Mann der Welt gemacht!

"Hätte ich ihn nur nicht damals hinrichten lassen, könnte er jetzt noch eine zweite Chance..." aber den Gedanken spann sie nicht weiter. Es war müßig über vergangene, nicht wieder gutzumachende Fehler zu lamentieren. Jahrzehntelange Herrscherinnen-Praxis hatten ihr *diese* bittere Lektion schon längst erteilt. Cixi wurde mit einem Schlag klar, daß sie das größte Kunstwerk, das die Menschheit jemals hätte sehen können, aus jugendlichem Übermut durch Hinrichtung des Künstlers habe am Entstehen verhindert. Ein Gefühl, das ihr bisher fremd war, überfiel sie mit einer nie zuvor gekannten Intensität: tiefe Scham ergriff die mächtige Kaiserin... eine Scham, die sie seitdem nie wieder loslassen wird.

Betrübt trat sie tiefer in Li Pang's Höhle hinein. Das nächste Wandgemälde war nicht weniger beeindruckend: es zeigte wieder einen gelben Drachen und einen hellblauen Fenghuang. Doch etwas war anders: sowohl Drache, als auch Fenghuang wirkten einfacher. Sie wiesen weniger unwichtiger Details auf. Doch auch wenn sie einfacher aussahen, sie trugen in sich die gesamte expressive Kraft des ersten Bildes. Li Pang's Signatur unten rechts wies ein späteres Datum auf: dies war offensichtlich sein zweiter Versuch.

Cixi war darüber höchst erstaunt. Wie konnte bloß ein einfacheres Bild die gleiche Ausdruckskraft besitzen, wie das erste Meisterwerk? Doch es war möglich! Sie hatte den ersten Drachen und den ersten Fenghuang genau angeschaut, und jedes ihrer feinsten Details nahm sie mit ihrem inneren Auge auch bei der etwas vereinfachten Generation des zweiten Bildes wahr. Es war verblüffend!

Cixi schaffte es endlich den Blick vom zweiten Bild zu lösen und schaute sich in der spärlich mit Fackeln beleuchteten Höhle um. Bild an Bild, Wandmalerei an Wandmalerei reihten sich aneinander in einer endlos scheinenden Kette. Sie schritt die wie in einer Gallerie aufgestellten Gemälde immer schneller ab: jedesmal gelber Drache und blauer Fenghuang; und von mal zu mal wurde die Darstellung *einfacher*; und immer expressiver! Bei jedem einzelnen Bild, erkannte Cixi vor ihrem inneren Augen die feinsten Details des allerersten Bildes, und sämtliche Vereinfachungen der darauffolgenden Bilder. Der einfachste Drache, der bescheidenste Fenghuang, trugen immer noch in sich die geballte Ausdruckskraft alle vorherigen Gemälde.

Als sie am letzten Gemälde ankam, kurz vor dem Höhlenausgang, stockte Cixi der Atem: dieses Bild hätte sie unter Millionen wiedererkannt! Natürlich erkannte sie die expressive Kraft des gelben Drachens, die unglaubliche Anmut des hellblauen Fenghuangs... doch plötzlich weiteten sich ihre Augen und sie erkannte... das Kunstwerk, das Li Pang zu ihrem Vierzigsten Geburtstag auf der schwarzen Seide mit zwei Pinselstrichen aufgetragen hatte! Das Datum dieses letzten Bildes ließ die Signatur klar erkennen: ein Tag bevor Li Pang abgeholt, und nach Peking gebracht wurde!

Es bestand kein Zweifel! Li Pang hat mit seinen zwei einfachen Pinselstrichen auf der teuersten Seide Chinas die abstrakte Essenz seiner ganze Seele, seiner ganzen Erfahrung und der Übung der vorigen 10 Jahre zum Ausdruck gebracht! Jetzt konnte Cixi endlich das Bild verstehen... und auch wenn der Drache gelegentlich in ihren Träumen beinahe Form annahm, so nahm erst jetzt der Fenghuang seine Phönix-Form an und große Tränen kullerten aus den großen Augen einer zutiefst zerknirschten Kaiserin.

Mit verheultem Gesicht und hängendem Kopf trat Cixi aus der Höhle wieder heraus. Minister Pong, die Leibgarde und alle Begleiter schauten erschrocken hoch und eilten ohne zu überlegen um ihre Kaiserin tröstend zu umarmen. Wenige Stunden vorher wären sie für diese menschliche, aber protokollarisch höchst unpassende Geste noch aufs grausamste gefoltert und anschließend gehängt worden; doch Cixi schluchzte nur, ihre Wangen tiefrot vor Scham und ihre Seele von großen Schludgefühlen geplagt. Sie empfand die tröstende Umarmung ihrer treuen Begleiter als wohltuend, wenn auch keinesfalls verdient. Sie war ein Scheusal in all ihren Jahren. Anstatt das Leben ihrer Untertan - ihrer *Freunde*! - ein wenig besser zu gestalten, hat sie es ihnen furchtbar schwer gemacht, und, manchmal wegen einer Kleinigkeit sogar genommen. Cixi konnte nicht aufhören zu weinen. Sie war völlig aufgelöst, als die Reisenden wieder in der Verbotenen Stadt ankamen.

* * * * *

Vier Wochen lang hörte und sah man im Palast nichts mehr von Kaiserin Cixi. Sie hatte sich in ihre privaten Gemächer eingeschlossen und hat nichts außer Wasser und trockenem Brot zu sich genommen. Jeder im Palast machte sich große Sorgen, was Cixi, welche sie ja trotz allem ins Herz geschlossen hatten, nun geschah. Denn auch wenn sie gelegentlich grausam war, so war sie trotzdem immer fair und konnte auch gelegentlich - viel zu selten, wie sie selbst bitterlich jetzt dachte - auch gütig sein... eine seltene Güte, die aber auf dankbare Menschen fiel.

Am Anfang der fünften Woche kam Cixi aus ihren Privatgemächern heraus. Ihre Tränen flossen nicht mehr, aber sie war von einer erschreckenden Blässe gezeichnet. Sie bat ihre engsten Vertrauten und Minister in den kleinen Audienzsaal, und sprach:

"Ich war Euch und dem Volk eine furchtbar grausame Herrscherin... und das Schlimmste ist, daß ich es nicht einmal gemerkt habe. Was ich Li Pang antat, wird mich nie wieder in Ruhe lassen. Aus diesem Grunde werde ich als Kaiserin abtreten und in einem Tempel als Nonne den Rest meiner Tage verbringen. Um Verzeihung bitte ich Euch nicht, denn was ich tat ist unverzeihlich. Ich weiß nur, daß mir die Götter verziehen haben, weil sich der Fenghuang seit meiner Reise zu Li Pang's Höhle nicht wieder versteckt hat. Möge meine Nachfolgerin Euch eine würdigere Kaiserin werden, als ich es war."

Cixi stand abrupt auf, verbeugte sich leicht, und verließ die verdutzten Minister und Höflinge.

* * * * *

Cixi lebte noch viele Jahre und half als Tempelnonne das Leid vieler armer Familien zu lindern. An der Tür ihres bescheidenen Klosterzimmers hing ein Bild auf schwarzer Seide, bestehend aus einem gelben und einem blauen Pinselstrich. Alle Nonnen und Mönche des Klosters, und alle Besucher und Hilfesuchenden, wußten ohne Erklärungen sofort, was Li Pang, ein obskurer, längst in Vergessenheit geratener Künstler, damit gemeint hatte.

Anmerkungen:

  1. Es gibt eine echte Kaiserin Cixi, doch jede Ähnlichkeit ist unbeabsichtigt und wäre rein zufällig.
  2. Das/Der Fenghuang ist das weibliche Gegenstück zum männlichen Drachen. Es erscheint in Zeiten großer Harmonie und Glück und versteckt sich, wenn Ärger droht. Ferner bedeutet das Fenghuang-Symbol Ehrlichkeit und Güte. In dieser Kurzgeschichte erscheint das Fenghuang Kaiserin Cixi erst, nachdem diese ihr Herz für Güte und Liebe geöffnet hat.
  3. Diese Kurzgeschichte ist noch ein Draft. Sie soll noch korrigiert und leicht überarbeitet werden. Sie wird auch noch in Englisch neugeschrieben.

Story submitted 12/31/2006 by the author
to Cordula Philipps.
Moved to Cordula's Web on 12/31/2009.

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