Allein
Clemens Brentano
Am Ufer bin ich gangen,
        Sie schifften auf dem See,
        Mein Herz war voll Verlangen,
        Ich trug ein heimlich Weh;
        Ein Weh, ein Wohl zu sein
        So ganz allein, allein, allein!
        
Ich hab hinaus getragen
        Mein Herz, und der es liebt,
        Der muß zu Haus verzagen,
        Der ist zum Tod betrübt,
        Und hört die Turtel schreien
        So ganz allein, allein, allein!
        
So ging ich wohl zwei Stunden,
        Und ob ich sein gedacht
        Nur wenige Sekunden,
        Das hüll ich in die Nacht
        Des stummen Herzens ein
        So ganz allein, allein, allein!
        
Es stürmt, der See schlägt Wellen,
        Unheimlich saust der Wind,
        Nie will ich mich gesellen,
        Ich wirres, irres Kind,
        Dem, der mich liebt mit Pein
        So ganz allein, allein, allein!
        
Und sollt er auch erblinden
        In seiner Tränen Flut,
        Nie will ich mich verbinden,
        Dem ich am Herz geruht;
        Stirbt er, grabt mir ihn ein
        So ganz allein, allein, allein!
        
Schon zittern ihm die Schmerzen
        Um das gebrochne Herz
        Gleich stillen Totenkerzen;
        Ich laß ihn, reißt der Schmerz
        Ihm gleich durch Mark und Bein,
        So ganz allein, allein, allein!
        
Es war sein ganzes Leben
        Im bittern Weh verglüht,
        Da hab ich ihn umgeben,
        Da ist er neu erblüht;
        Mein ist er, ich nicht sein
        So ganz allein, allein, allein!
        
Wohin, wohin mich wenden?
        Ich armes Waiselein,
        Von allen Felsenwänden
        Hör ich das Echo schrein,
        Arm Kind, o Du mußt sein
        So ganz allein, allein, allein!
        
Die Wellen sind Gesellen,
        Die Vöglein zwei und zwei,
        In Ufern gehn die Quellen,
        Sein Echo hat mein Schrei,
        Und ruft vom Felsenstein
        So ganz allein, allein, allein!
        
Viel bin ich umgezogen,
        Hab redlich angeblickt,
        War liebevoll gewogen,
        Hab freundlich zugenickt!
        Die Wahrheit ließ der Schein
        So ganz allein, allein, allein!
        
Und wem ich bot zu trinken,
        Der ward so schwer berauscht,
        Er ließ den Becher sinken,
        Und hat ihn leicht vertauscht,
        Den Zauberbecher mein
        So ganz allein, allein, allein!
        
Du einsam Kreuz am Pfade!
        Scheu blicke ich hinan,
        O süßer Herr der Gnade
        Blick doch Dein Schäflein an!
        Treib treuer Hirt mich ein
        Bald ganz allein, allein, allein!
        
Da spricht's: Tu keinem andern,
        Was Dir nicht soll geschehn,
        Willst Du nicht einsam wandern,
        So laß nicht einsam stehn,
        Laß nicht, willst Du nicht sein
        So ganz allein, allein, allein!
        
Will keiner mir begegnen
        Auf diesem öden Pfad,
        Soll ich die Welt gesegnen,
        Verlassen am Gestad?
        Da schallt ein Tritt, es naht
        Wer ist's? sein will ich sein
        So ganz allein, allein, allein!
        
Sag liebrer Wandrer, bist Du's,
        So biete mir gut Zeit.
        "Gelobt sei Jesus Christus!"
        ... In alle Ewigkeit.
        Ach ja, wenn es soll sein
        So ganz allein, allein, allein!
        
In Trauer begonnen,
        In Reue vollendet
        Zum Kreuz gewendet
        Mit Tränen beronnen.
        
 
      
