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An Ferdinand

Sophie Albrecht

Du liebest mich!
Mir blüht die Rose wieder
In neu erwachter Gluth;
Mir tönen meines Haynes Lieder,
Mir braußt der Sturm, mir rauscht der Elbe Fluth:
Du liebest mich!

Ich liebe Dich!
Mir lispelts durch die Bäume,
Mir rufts des Morgens Pracht,
Und in des Lebens kleinsten Keime,
In Dämmerung, in schwarzer Mitternacht:
Ich liebe Dich!

Du liebest mich!
Der ganzen Schöpfung Fülle
Gehört uns beyden nur.
Des Lebens Puls, noch jüngst so stille,
Hüpft glühend durch die Adern der Natur:
Du liebest mich!

Ich liebe Dich!
Von Deinem Arm umschlungen,
Fühl ich unsterblich seyn;
Von Deiner Liebe Kuß durchdrungen,
Kein Leichentuch hüllt das Entzücken ein:
Ich liebe Dich!

Du liebest mich!
Des Todes kalte Stunde
Schmilzt unsers Herzens Gluth!
Die Flammen in der Seelen Bunde
Löscht nicht der Tod - nicht Lethes schwarze Fluth:
Du liebest mich!

(Im Mai 1788)

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