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Tagebuchfragmente eines Einsamen

Ada Christen

Habe wieder Dich geseh'n,
Habe wieder Dich gefunden
Und den Duft verträumter Stunden
Fühl' ich wieder um mich weh'n.

Doch Du wohnst im schönsten Haus,
Bist seither auch Frau geworden,
Menschlein, klein, mit großen Orden,
Schlendern bei Dir ein und aus.

Und es schwatzet nur von Dir
Schaaler Müssiggänger Meute,
Denn Du bist nicht weiser heute,
Aber schöner -- dünket mir! --

Starr zu Deinem Haus empor
Gucken all' die faden Laffen,
Ihrem Schwatzen, ihrem Gaffen
Leihest Auge Du und Ohr! --

Und Dein blühend junger Leib
Ist umhüllt mit theuren Stoffen,
Hab' vor Zeiten Dich getroffen
In gar armem Röcklein, Weib!

Warst zuweilen wohl betrübt!
Konntest schreiben nicht, noch lesen,
Kopf und Händchen -- armes Wesen! --
Waren schön, doch ungeübt.

Ach schon längst bin ich erwacht
Und ich glaube noch zu träumen!. --
Sag' -- hast Du in diesen Räumen
Wahr geliebt und froh gelacht? ...

* * * * *

Er Dein Gatte! -- er Dein Gatte!
Daß ich es kaum fassen kann --:
Die -- die mich so lieb einst hatte,
Liebt den glatten sichern Mann?

Klingt das eitel? -- Lache, Süße,
Aber blick' mich freundlich an,
Mich, den Deiner keuschen Küsse
Duftiger Zauber einst umspann.

Denkst Du noch der schmalen Gasse?
Mir genüber lag Dein Haus,
Daß ich Deine Hand erfasse,
Streckt' ich nur die meine aus.

Ach so nah', wenn auch geschieden,
Lebten, liebten, lachten wir;
Jene Zeit voll Glück und Frieden,
Sie entschwand mit Dir, -- mit Dir! --

Für mich kamen trübe Tage,
Ein unsäglich langes Jahr;
Es verging in Noth und Plage,
Ganz so wie es ehmals war.

Deine liebe Stimme fehlte,
Wie ich auch hinübersah,
Deine Fensterscheiben zählte,
Du bliebst fort -- was sollt' ich da?

Traurig wurde ich und klexte
Endlos lange Bogen voll,
Ließ die Stube, die verhexte,
Rannte in die Welt wie toll.

Überall dieselbe Leere. --
Etwas fehlt' in meiner Brust,
Darum such' ich über'm Meere
Neuen Kampf und neue Lust.

Anna! -- küsse meine Wange
Einmal wie vor alter Zeit;
Kind, wir scheiden heut' für lange --
Für die ganze Ewigkeit. --

* * * * *

Ich schmähte Dich, weil Du mir Lieb' gelogen,
Als ich einst arm, unwissend Dich gefunden,
Weil Du nun stolz und weil Dein Herz gebunden
An jenen Mann, der Dich belehrt, erzogen.

Ich zürnte Dir noch in den jüngsten Tagen,
Ich hab' Dich eitel, hart und kalt geheißen,
Ich wollte Deinem Gatten Dich entreißen,
Auf meinen Armen Dich durch's Leben tragen.

Dein Herz, so meint' ich, müsse lodernd schlagen,
Wie meines schlägt, seitdem ich Dich gesehen --
Du bebtest, doch vergebens war mein Flehen,
Nur dürft'ge Thränen flossen meinen Klagen.

"Ich bin sein Weib und will es fürder bleiben,"
So stöhntest Du, und mehr von Pflicht und Treue,
Mich aber konntest Du einst sonder Reue
Verlassen, einsam in das Leben treiben? --

Ein dunkles Räthsel, reich an tiefen Schmerzen,
Ist Dein Entfliehen, Lieben, ewig Trennen --
Doch wenn ich fern bin, wirst auch Du erkennen,
Wie fremd Du bist an Deines Gatten Herzen...

* * * * *

Oh Weib! was hab' ich einst um Dich gelitten,
Wenn ich so einsam durch die Wälder irrte,
Das Eis der Zweige auf mich niederklirrte
Und alte Träume durch die Seele glitten! --

Wie schrie ich auf in finstern Phantasien
Und suchte doch vergeblich Trost im Liede!
Wie vor der Pest, so sah ich Glück und Friede
Vor meinem Schatten unaufhaltsam fliehen! ...

Schatten, 1872.
Ein Tagebuch (ausgewählte Fragmente).

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