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Die Eisjungfrau

Hans Christian Andersen

VIII. Welche Neuigkeiten die Stubenkatze wieder zu erzählen hatte

"Hier ist das Verlangte!" sagte Rudi, der zu dem Müller in Bex in das Zimmer trat und einen großen Korb auf den Fußboden setzte. Als er das Tuch abnahm, starrten zwei gelbe, schwarz umränderte Augen daraus, so funkelnd, so wild hervor, daß man ihm die Lust anmerkte, sich in alles, was er sah, einzubeißen. Der kurze starke Schnabel öffnete sich zum Bisse, der Hals war rot und mit Daunen bedeckt.

"Der junge Adler!" rief der Müller. Babette stieß einen Schrei aus und sprang auf die Seite, vermochte aber ihre Augen weder von Rudi noch von dem jungen Adler abzuwenden.

"Du läßt Dich nicht verblüffen!" sagte der Müller.

"Und Ihr haltet stets Wort!" sagte Rudi. "Jeder hat sein besonderes Merkmal!"

"Aber weshalb brachest Du Dir nicht den Hals?" fragte der Müller

"Weil ich festhielt!" erwiderte Rudi, "und das tue ich auch jetzt, ich halte fest an Babette!"

"Sieh erst zu, daß Du sie hast!" sagte der Müller und lachte; und das war, wie Babette wußte, ein gutes Zeichen.

"Laß uns erst den jungen Adler aus dem Korbe schaffen, es ist ja schrecklich mit anzusehen, wie er uns anglotzt! Wie hast Du ihn denn gefangen?"

Und Rudi mußte erzählen, und der Müller betrachtete ihn mit Augen, die immer größer und größer wurden.

"Mit Deinem Mute und Deinem Glücke kannst Du drei Frauen versorgen!" hob endlich der Müller an.

"Dank, herzlichen Dank!" rief Rudi.

"Ja, Babette hast Du deshalb doch noch nicht!" entgegnete der Müller und klopfte dem jungen Alpenjäger scherzend auf die Schulter.

"Weißt Du das Neueste aus der Mühle?" fragte die Stubenkatze die Küchenkatze; "Rudi hat uns den jungen Adler gebracht und tauscht Babette dafür ein. Sie haben einander geküßt und den Vater zusehen lassen, das ist so gut wie eine Verlobung! Der Alte versetzte keine Fußtritte mehr, zog die Krallen ein, hielt ein Mittagsschläfchen und ließ die beiden sitzen und schön miteinander tun. Sie haben sich soviel zu erzählen, sie werden bis Weihnachten nicht fertig!"

Und sie wurden auch bis Weihnachten nicht fertig. Der Wind wirbelte in braunen Kreisen das Laub umher, der Schnee stöberte im Tale wie auf den hohen Bergen. Die Eisjungfrau saß in ihrem stolzen Schloß, das zur Winterszeit sich ausdehnte und vergrößerte. Die Felsenwände waren mit Eis überzogen und klafterdicke, elefantenschwere Eiszapfen hingen da, wo im Sommer der Gebirgsstrom seinen Wasserschleier flattern ließ. Eisgirlanden von fantastischen Eiskristallen glitzerten über den schneebepuderten Tannen. Die Eisjungfrau ritt auf dem sausenden Winde, über die tiefsten Täler dahin. Bis nach Bex hinab lag eine feste Schneedecke, und wenn sie dort ankam, konnte sie Rudi weit mehr als er gewohnt war, hinter der Tür sehen; saß er doch bei seiner Babette. Im Sommer sollte die Hochzeit gefeiert werden; freunde und Bekannte sprachen so oft davon, daß ihnen ordentlich die Ohren klangen. Es war ewiger Sonnenschein, wie die schönste Alpenrose glühte die muntere, lachende Babette, schön wie der Frühling, der jetzt nahte, der Frühling, der alle Vögel vom Sommer, vom Hochzeitstage singen ließ.

"Wie die beiden nur so ewig beieinander sitzen und sich übereinander neigen können!" sagte die Stubenkatze. "Das stete Einerlei ihres Miauens ist mir nun doch zu langweilig!"

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